Der rollende Rindsmagen

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Der rollende Rindsmagen

MärchenWirkstatt
Veröffentlicht von Kolja in Märchen · 4 Oktober 2016
Tags: MärchenIsland
Märchen aus Island
Es waren einmal ein König und eine Königin in Gautland; er hieß Ring, sie aber Althrud von Ungerland, und sie hatten eine Tochter, die Signy hieß. Nun starb die Königin, und der König trauerte tief um sie. Einmal aber geschah es, dass ein schönes Weib in die Halle des Königs trat mit einem Becher voll Wein. Sie ging auf den König zu, der aber war so bekümmert, dass er sie gar nicht ansah. Da ließ sie einen Tropfen aus dem Becher auf die Lippen des Königs fallen; davon erwachte er, trank nun, vergaß alsbald seine verstorbene Königin und nahm dieses Weib zur Ehe. Sie nannte sich Asa und sagte, sie sei eine Königstochter aus Halogaland. In Wahrheit aber war sie eine Unholdin, und Signy wollte von ihrer Stiefmutter nichts wissen. Einstmals zog der König auf Heerfahrt; die Königin aber ging inzwischen in schlimmer Verhüllung nach der Kammer der Königstochter und verfluchte sie, dass sie zu einem Magen wie dem eines frisch geschlachteten Rindes werden und niemals von diesem Zauber erlöst werden solle. Aber umgekehrt legte auch die Königstochter auf sie den Fluch, dass sie sofort zur Katze werden und sogleich tot niederfallen solle, wenn der König heimkäme, und sie fügte hinzu, dass Schlangen und Stangen, Gras und Grund sie stechen sollten, wenn  sie ihren Fluch nicht etwas mildere. Da sagte die Alte, sie wisse zu viel und nannte die Milderung, dass, wenn ein Königssohn sie in dieser Verwünschungsgestalt heiraten und zu sich in Bett nehmen wollte, sie dann wieder erlöst sein solle. Signy aber sagte, ihr Fluch solle ewig dauern, wie er auferlegt sei.
Nun wurde sie zu einem Rindsmagen und wälzte sich fort durch viele Länder. In Holmgard war ein junger unverheirateter König, der regierte sein Land gemeinsam mit seiner Mutter. Da war auch ein alter Mann mit seiner Frau, und die hatten ein paar Kühe. Einmal war der Alte draußen, um seine Kühe zu hüten. Da fand er den schrecklichen Rindsmagen, und zu seiner großen Verwunderung redete dieser ihn an. Er bot sich dem Alten als Kuhhirt an, und darauf ging dieser ein. Nun trieb der Magen die Kühe des Alten auf die Wiesen und Acker des Königs und ließ sie diese abweiden. Einmal aber kam der König dazu und schalt den Magen sehr, dass er ihm seine Wiesen verderbe. Der aber wurde grob und meinte, früher habe es Könige gegeben, die hätten größere Wiesen gehabt und seien nicht so geizig gewesen wie er.
Da wurde der König zornig und wollte den Magen erschlagen. Aber seine Füße waren wie festgewurzelt im Boden und er konnte sich nicht losmachen. Da wurde er sehr wütend und hieß den Magen ihn loslassen. Der aber antwortete ihm, er werde nie mehr loskommen, wenn er sich nicht entschließe, ihn zu heiraten und zu sich ins Bett zu nehmen. Und zuletzt musste sich der König zu diesem Versprechen herbeilassen, und der Magen gab ihm zu verstehen, dass, wenn er nicht Wort halte, sein Reich verwüstet werden, er selber aber tot niederfallen solle. Dann machte der Magen den König los und wälzte sich ihm nach in seine Halle. Es wurde Hochzeit gehalten, und die Mutter des Königs brachte den Magen in das goldgeschmückte Bett ihres Sohnes. Dahin kam auch der junge König selbst, und seine Mutter wachte über ihnen beiden. Als sie aber nach einer kleinen Weile wieder hinsah, da lag eine junge Braut in dem Bette des Königs, der schreckliche Magen aber daneben. Den nahm sie und rief ihre Knechte herbei, um ihn zu verbrennen. Der König aber lebte lange mit Signy, und sie erhielten Kinder und Nachkommen.


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